Initiative für
Wissenschaftliche Medizin

Homöopathie bei Lungenkrebs - Update 2 – vernichtendes Urteil auch von der ÖÄWI

Dazu Update 3 und Update 4

Im Juni 2021 veröffentlichten wir auf unserer, der Website des INH und auf der Website von Edzard Ernst eine gemeinsam mit dem deutschen INH (Informationsnetzwerk Homöopathie) verfasste Kritik an einer Studie, laut der Homöopathie angeblich die Lebensqualität und das Überleben von Lungenkrebspatienten mit NSCLC (Nicht kleinzelligem Lungenkarzinom) in fortgeschrittenem Stadium verbessern kann. Einige der vielen Autoren der Studie sind Mitarbeiter der MeduniWien. Diese Kritik übermittelten wir dem Rektorat und der Ethikkommission der MedUni Wien und allen Autoren der Studie. An die Zeitschrift „The Oncologist“ sandten wir einen „Letter to the Editor“ mit Kritik an der Studie und der Empfehlung, die Studie zurückzuziehen.

Niemand aus der großen Anzahl von Autorinnen und Autoren antwortete. Auch der „Letter to the Editor“ wurde nicht veröffentlicht.

Meduni Wien reagierte auf unsere Kritik und wurde aktiv – Ergebnis der ÖAWI Begutachtung vernichtend

Die Meduni Wien nahm unsere Kritik ernst und leitete sie an die ÖAWI (Österreichische Agentur für Wissenschaftliche Integrität) zur Begutachtung weiter.

 

Das Ergebnis dieser Untersuchung ist nunmehr fertig. Die ÖAWI kommt sinngemäß zur gleichen Schlussfolgerung wie INH und IWM:

The OeAWI committee has come to the conclusion that there are numerous breaches of scientific integrity in this work, and that the publication is not a fair representation of the research. We have informed the Editor in Chief of the Oncologist and requested a retraction. A full report has been sent to the MUV.

Auf Deutsch

 

 

Einige Details

Über die vielen auch von uns kritisierten Änderungen des Studienprotokolls während die Studie schon lief befindet die ÖAWI:

These changes are substantial and hardly acceptable once a study is running. Furthermore, they are not mentioned in the publication, nor is there mention of the patients with glioblastoma and sarcoma who were initially randomized. This is suggestive of data manipulation, and the lack of transparency in the article is unacceptable.

Auf Deutsch

Die ÖAWI über die auch von uns kritisierte wundersame Vermehrung der Ausschlusskriterien

The article states, literally, that there were “numerous exclusion criteria”, and these are listed in the article. Only two of these criteria, i.e., pregnancy and use of other alternative medication, were listed in any of the six versions of the protocol that were submitted to the Medical-Ethics Committee between July 2010 and July 2020. Given the age of the patients and the recency of diagnosis, few if any will have been pregnant or using other alternative medication. The last patient was included in 2017. The protocol with numerous exclusion criteria was submitted to ClinTrials.gov in 2020. Hence, many patients were excluded post-hoc, which is suggestive of data manipulation.

Auf Deutsch

 

 

Auch in der Zeitschrift Profil Jahrgang 2022 Nummer 43 vom 23.10.2022 pp. 58 - 61 wurde über das Ergebnis der ÖAWI Begutachtung unter dem Titel „Fast zu schön, um wahr zu sein“ ausführlich berichtet. Der Hauptautor Michael Frass kommt in dem Artikel auch zu Wort und weist alle Vorwürfe zurück.

Während es den Herausgebern des Journals Nature Scientific Reports für das Zurückziehen einer Publikation reichte, dass u.a. klar wurde, dass dort mit homöopathischen Verdünnungen von Antikörpern gearbeitet worden war, die kein wirksames Molekül mehr enthalten konnten, reagierte bisher die Zeitschrift „The Oncologist“ auf unsere Kritik überhaupt nicht und auf die Forderung der ÖAWI, die Studie zurückzuziehen lediglich mit der Zusage, eine „Expression of Concern“ bis Ende der Kalenderwoche 40 zu publizieren. Diese Zusage wurde jedoch bisher nicht eingehalte (Stand 27.10.2022). Da es keine Retraction des Artikels gibt, erscheint diese „Studie“ weiterhin über die automatische Abfrage der Pubmed-Datenbank auf der Website des Comprehensive Cancer Centers der Meduni Wien. Würde die Studie zurückgezogen, erschiene dort ein Hinweis darauf.

Inzwischen findet man an vielen Stellen Jubelmeldungen der Homöopathiegläubigen über die sensationellen Ergebnisse dieser Studie und sie wurde auch bei TV-Auftritten beworben, z.B. in „Meryns Sprechzimmer“ vom 14.9.2022 in ORF III durch Dr. Brunnthaler-Tschertneu, der Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Homöopathische Medizin

 

Zur genaueren Chronologie der Kritik und deren Folgen (Stand 27.10.2022)

In einem Video erklärt Norbert Aust vom deutschen INH unsere Kritik im Detail

Fazit

  • Der Peer Review des Journals „The Oncologist” hat Potential zur Verbesserung

  • Die vernichtenden Ergebnisse der unabhängigen ÖAWI sind bis jetzt kein Grund für das Journal „The Oncologist“, zumindest eine „Expression of Concern“ zu veröffentlichen oder die Publikation zurückzuziehen.

  • Auch ein Top-Journal wie Nature scheut sich nicht, eine Studie zurückzuziehen, wenn klar wird, dass es um Homöopathie ging, obwohl sie es durch den Peer Review geschafft hatte.

  • Je länger diese Studie jedoch unkorrigiert in der wissenschaftlichen Literatur existiert und beworben wird, desto eher können Patienten möglicherweise zu falschen Entscheidungen bezüglich ihrer Therapie verleitet werden. Für die evidenzbasierte Onkologie ist diese Studie wohl ohnehin keines Kommentars würdig.

  • Das wichtigste Ziel ist daher weiterhin, eine Retraction der Studie zu bewirken. Das nicht zuletzt auch deswegen, weil durch sie der Ruf der MedUni Wien beschädigt werden könnte.

Dazu Update 3