Initiative für
Wissenschaftliche Medizin

Landesärztekammern selbst als Fortbildungsanbieter für Pseudomedizin. Und die Akademie der Ärzte vergibt DFP-Fortbildungspunkte für diese Pseudomedizin-Kurse.

Wer im Fortbildungskalender der Akademie der Ärzte im Mai 2022 mit dem Suchwort Homöopathie für das Jahr 2022 suchte, fand zehn Veranstaltungen. Alle diese Fortbildungsveranstaltungen werden mit DFP-Punkten belohnt. Mit der Kennzahl der Veranstaltung findet man sie auch, wenn sie in der Vergangenheit abgehalten wurden.

Es ist verständlich, dass Pseudomedizingesellschaften solche Veranstaltungen abhalten und mit DFP- Punkten behübschen wollen, doch es ist überraschend, dass Landesärztekammern selbst so etwas anbieten. 2 Veranstaltungen mit dem Namen „Qualitätszirkel Homöopathie“ werden/wurden von den Landesärztekammern Salzburg und Niederösterreich selbst angeboten.

Beispiel Salzburg: "Qualitätszirkel Homöopathie"

4 Fortbildungspunkte für Ärzte bei Besuch einer Veranstaltung ohne konkretes Thema.

Der in unseren früheren Beobachtungen besonders pseudomedizinaffinen Salzburger Ärztekammer ist es offensichtlich gelungen, für eine Pseudomedizinveranstaltung, die noch nicht einmal konkrete Themen angegeben hat, der Arztakademie die Vergabe von 4 DFP – Punkten zu entlocken. Die Veranstaltung nennt sich „Qualitätszirkel Homöopathie“.

Fortbildungsanbieter ist das Referat für Qualitätssicherung der Ärztekammer für Salzburg.

 

 

 

Dass gerade das Referat für Qualitätssicherung der Ärztekammer Salzburg eine Fortbildung in der Scheinmedizin anbietet, die von den europäischen Akademien der Wissenschaften als wirkungslos über den Placeboeffekt hinaus eingestuft wird, bringt unser Vertrauen in die Qualität der Qualitätssicherung dieses Referats erheblich ins Wanken. Bemerkenswert an dieser Veranstaltung ist auch die Geheimbündelei. „Geschlossener Teilnehmerkreis“ erinnert an das Geheimwebinar der Homöopathen, das nur Eingeweihte hören sollten.

Stattgefunden hat diese Veranstaltung am 3.6.2022 in der Ordination von Dr. Kerstin Pointner.

In dieser Praxis wird auch ein weiteres Pseudomedizinverfahren gegen viele Erkrankungen angeboten, nämlich die "Mitochondriale Medizin". Aus der Website

Mitochondrien sind die Energiekraftwerke der Zellen. Ist der Stoffwechsel der Mitochondrien beeinträchtigt, können Fehlfunktionen Krankheiten auslösen – zum Beispiel:
  • Kopfschmerzen und Migräne
  • unerklärtes Übergewicht
  • massive Erschöpfung bis hin zu Fibromyalgie und Burnout
  • Bluthochdruck und Herzrasen
  • Muskelschwäche und Muskelkrämpfe
  • Gallen- und Nierensteine
  • Schlafprobleme und andere neurologische Erkrankungen
  • häufige Infekte
  • Verdauungsstörungen und Sodbrennen
  • unklare Schmerzen oder sogar Diabetes

Die Behandlung mit Mikronährstoffen nach diversen Laboruntersuchungen verspricht die Förderung der "Regeneration von angegriffenen Mitochondrien".....

Kolleg:innen, die seriöse medizinisch-wissenschaftliche Fortbildungsveranstaltungen erarbeiten und veranstalten, müssen sich eigentlich durch diese Verschleuderung von DFP-Punkten verhöhnt vorkommen und sollten diese Inflation bei der Akkreditierung abzustellen versuchen.

 

Fortbildungsreferent der ÄK Tirol verteidigt Pseudomedizin in OE1

Dass Landesärztekammervertreter öffentlich in Medien für die Pseudomedizin eine Lanze brechen, konnte man auch in einer Radiosendung der Reihe "OE1 bis 2" vom 25.3.2022 mit dem Thema "Wie gut sind Österreichs Hausärzt:innen ausgebildet?" staunend mitverfolgen. In dieser Sendung war u.a. Dr. Edgar Wutscher von der Ärztekammer Tirol, Referent des Fortbildungsreferats, Diskussionsteilnehmer. In der Folge Transskripte von Tonaufnahmen von Sendungen im ORF.

Der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka hatte in einer ZIB2-Sendung am 21.3.2022 kommentiert

Armin Wolf: Eine letzte Frage, weil es vorhin im Beitrag vorgekommen ist: Wie sehr irritiert das eigentlich Sie, dass eine Partei, die ganz vehement gegen die Impfung kampanisiert und die explizierte  Coronaleugner in ihrer Führung hat, ausgerechnet bei einer Ärztekammerwahl, bei der nur Ärztinnen und Ärzte wahlberechtigt sind, mehr Prozent gewinnt als bei der Landtagswahl in Oberösterreich, wo alle wahlberechtigt sind?

Thomas Czypionka: Ganz offen gesagt ist das auch ein bisschen der Vergangenheit geschuldet, wo man im ärztlichen Bereich auch diverseste Fortbildungen usw toleriert hat, die mit einer modernen evidenzbasierten Medizin wenig zu tun haben. Dadurch gibt es eben auch viele ärztliche Kolleginnen und Kollegen, die Ansichten vertreten, die mit der insgesamt wissenschaftlichen Medizin wenig zu tun haben und offensichtlich dann auch eine solche Partei wählen.

Armin Wolf: Klingt für mich als Laien ein bisschen Besorgnis erregend.

Thomas Czypionka: es ist auch Besorgnis erregend, weil eigentlich die Ärztekammer ja auch die Aufgabe hat, disziplinar tätig zu sein, d.h. also den eigenen Stand auch dazu anzuhalten, nach lege artis zu behandeln, und lege artis ist sicher nicht unwissenschaftliche bzw. nicht evidenzgestützte Medizin
 

 

In der Radiosendung "OE1 bis 2" von der Redakteurin Andrea Hauer auf diesen Kommentar Czypionkas angesprochen, antwortete Dr. Wutscher:

 

Edgar Wutscher: ich bin sprachlos, dass ein Gesundheitsökonom sich traut, über diese Sache zu urteilen. Also ich kann Ihnen einleitend nur zwei Zahlen sagen: ich bewerte allein die Fortbildungsveranstaltungen im Bundesland Tirol, das muss immer über den Fortbildungsverantwortlichen laufen, das sind im Jahr 2000 Veranstaltungen. Zusätzlich bewerte ich gleich viel Veranstaltungen über die Österreichische Akademie für die Fortbildungen der Allgemeinmediziner, also nehmen wir zusammen 4000 Fortbildungen. Und da sagt jemand, da sollten wir uns schlecht fortbilden und sollten die Ursache sein, dass die MFG in Wien ein paar Stimmen macht. Also das finde ich abstrus und abenteuerlich.

Die Redakteurin Andrea Hauer zitiert eine E-mail von Dr. Georg Rohrmoser:

E-Mail Georg Rohrmoser: "Der Herr Kollege aus Tirol redet total am Thema vorbei. Es geht um sogenannte „Fortbildungen“ über Modethemen wie Homöopathie und ähnlichen Unsinn, der naturwissenschaftlichen Kriterien nicht standhält. Weil es modern und schick ist, besteht in wohlstandsverwöhnten Gesellschaften ein zunehmendes Bedürfnis nach solchem Schnickschnack, den man auf solchen Veranstaltungen „lernt“."
Edgar Wutscher (überrascht): Das ist das E-Mail, das sie bekommen haben?
Andrea Hauer: Ja, jetzt soeben. Wie finden Sie denn den Spagat zwischen komplementär- und alternativmedizinischen Methoden und den wissenschaftlichen?
Edgar Wutscher: Ja, offensichtlich ist der ein völlig falscher Ort und völlig falsch ..unverständlich…da ist …unverständlich….Zunächsteinmal …unverständlich… dieses E-Mail ist einfach ein Unsinn. Die Komplementärmedizin, da kann man sehr kritisch dazu stehen. Also ich bin mit Leib und Seele ein Schulmediziner, aber wenn wir die Komplementärmedizin ansprechen, dann war das seit solang ich denken kann, ein Ziel der Ärztekammer, die seriösen Dinge der Komplementärmedizin in die Ärztekammer hineinzubringen, weil wir einfach der Meinung sind, und das offensichtlich unsere Vorgänger auch schon, dass man die Ärzte, die Komplementärmedizin anbieten wollen, durchaus dazu anregen kann, dass sie Schulmedizin mit Komplementärmedizin verbinden und dadurch ein seriöses Angebot machen können.

Dr. Wutscher führt aus, dass der Großteil der Ärzte Komplementärmedizin auf der Basis der Schulmedizin seriös anbiete, räumt aber ein

Edgar Wutscher: ….,dass es schwarze Schafe gibt, das gibt’s überall. Aber das ist ein verschwindender Anteil.

Auf eine Bemerkung, dass es irgendeine Aktion der Ärztekammer(n) gegen diese "Schwarzen Schafe" zum Schutz der Patienten gibt, wartet man allerdings vergeblich. Das wird offensichtlich nonchalant einfach toleriert. Wesentlich mehr Entrüstung hatten allerdings die kritischen Äusserungen Thomas Czypionkas und Georg Rohrmosers nach sich gezogen.

Andrea Hauer spricht konkret die Homöopathie an.

Andrea Hauer: Homöopathie, weil das auch angesprochen wurde von dem Mailschreiber?
Edgar Wutscher: Homöopathie ist in (lacht)
Andrea Hauer: Nur bitte, wenn sie das nur kurz sagen. Ist das akzeptiert auch bei Ihnen als Fortbildung?
Edgar Wutscher: Die Homöopathie ist bei uns als Fortbildung akzeptiert, ja. Es gibt, und da sind sehr viele schlecht informiert, es gibt evidenzbasierte Arbeiten in der Homöopathie.

Fazit:

  • Landesärztekammern bieten "Fortbildungen" in Pseudomedizin an.

  • Einem Gesundheitsökonomen, der öffentlich "Fortbildungen" der Ärztekammern in Pseudomedizin kritisiert, spricht ein Ärztekammerfunktionär das Recht dazu ab.

  • Die berechtigte Kritik bezüglich Pseudomedizinfortbildungen wird von dem Kammerfunktionär, dessen Aufgabe die Qualitätssicherung wäre, als Unsinn bezeichnet.

  • Er hält es für „seriös“, Patient:innen - zusätzlich zu wirksamer konventioneller Medizin - spezifisch unwirksame Methoden (meist auch noch gegen Bezahlung) anzubieten.

  • Die Aktivitäten von "Schwarzen Schafen" unter den Ärztinnen sind dem Ärztekammerfunktionär keinen weiteren Kommentar wert.

  • Dieser Funktionär hält die Akademien der Wissenschaften Europas offensichtlich für schlecht informiert.

Dem ist wohl nichts hinzuzufügen!