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Wissenschaftliche Medizin

Kommentar zum Morgenjournal Ö1 vom 7.1.2022 über die Kritik am Master of Pseudoscience der FH Campus Wien

Im Morgenjournal in Ö1 vom 7.1.2022 (MP3, Transskript) wurde die Kritik am Master of Pseudoscience der FH Campus Wien thematisiert:

Wir kommentieren:

Ö1: Viel Kritik gibt es derzeit an einem Lehrgang der FH Campus Wien. An der größten Fachhochschule Österreichs wird der Lehrgang „Ganzheitliche Therapie und Salutogenese“ angeboten. Er richtet sich an ausgebildetes Gesundheitspersonal und beinhaltet Fächer wie Aromatherapie, tibetische Medizin oder Ayurveda.

Hier wurden wohl bewusst solche Pseudomedizinrichtungen ausgewählt, die bei pseudomedizinaffinen Ö1-Hörern am ehesten Aktzepanz finden. Die noch absurderen Disziplinen wie Ausleitende Medizin, Funktionelle Myodiagnostik, Homotoxikologie, Anthroposophische Medizin und Homöopathie wurden nicht erwähnt.

 

Wissenschaftlich oder nicht bleibt unkommentiert

Ö1: Den Vorwurf, wissenschaftlich nicht anerkannte Fächer zu unterrichten, weist Rektorin Bittner vehement zurück. Sie ist auch die akademische Leiterin der FH Campus Wien.
 Bittner: Dieser Masterlehrgang passt sehr gut zu unserem Portfolio, weil wir ganz viele Gesundheitsberufe ausbilden, also Physio, Ergo, Gesundheits- und Krankenpflege usw. und die durchwegs zusätzlich zu ihrer akademischen Qualifikation auf Bachelorebene sich gerne auf Masterebene noch einmal weiterbilden indem Sie einen guten Überblick bekommen über die komplementärmedizinischen Methoden.

Die Antwort lässt allerdings die Kernfrage weiterhin unbeantwortet. Auf die von uns auf unserer Website und den Studierendenvertreterinnen vorgebrachte Kritik der mangelnden Wissenschaftlichkeit des 13.600 – 15.640 € kostenden Pseudomedizinlehrgangs geht die Rektorin mit keinem Wort ein. Lediglich mit der Nachfrage danach begründet sie die Existenz des Lehrgangs und des teuer zu erkaufenden Titels „Master of Pseudoscience“, analog zur Begründung auf der Website der FH.

Es existiert also offensichtlich für die Pseudomedizin ein guter Markt, der den hohen Preis zu bezahlen bereit ist. Damit sich die Investition in den Pseudomedizintitel für die Lehrgangsteilnehmer rentiert, müssen aber natürlich in allerletzter Konsequenz genügend pseudomedizingläubige Patientinnen ordentlich zur Kasse gebeten werden können. Das scheint auch zu gelingen.

Man kann nur hoffen, dass die Inhalte der von der Rektorin zitierten anderen Gesundheitsberufsausbildungen seriöser sind. Zumindest im Inhalt des erwähnten Bachelorstudiengangs „Ergotherapie“ findet man keine Pseudomedizin. Das mag daran liegen, dass der Inhalt von FH-Studiengängen einer besseren Kontrolle Ex-Ante unterliegt als ein FH-Lehrgang, weil strengere gesetzliche Auflagen gelten. Begrüßenswert vernünftig ist auch der Studienbeitrag dieses 6 semestrigen Studiengangs, nämlich 363,36 €/Semester, also 2180,16 € für den gesamten Lehrgang, also eine völlig anderen Größenordnung als der des Pseudomedizinlehrgangs.

 

 

Gesundheitsförderung ist nichts Neues

OE1: ganzheitliche Therapieformen und die sogenannte Salutogenese, die im Gegensatz zur Pathogenese nicht die Krankheit sondern die Erhaltung der Gesundheit in den Mittelpunkt stellt, würden in Zukunft immer wichtiger werden meint Lehrgangsleiter Gerald Hubmann
G. Hubmann: Ich bin ja Schulmediziner und wir haben die Pathogenese von A bis Z gelernt und wir beschäftigen uns in unserem Beruf täglich mit den Kranken, aber wir sollten uns auch mit der Gesundheit beschäftigen und das lehrt eben dieser Lehrgang das ist, sage ich, eine neue Denkweise, die wir vermitteln wollen.

Dass  medizinisch-wissenschaftlich basierte Information über Gesundheitsförderung etwas Neues sein soll, ist nicht richtig. Das Fachgebiet „Public Health“ existiert schon lange. Wie auch in allen anderen Bereichen der Medizin können auch auf diesem Gebiet nur qualitativ möglichst hochwertige wissenschaftliche Studien die Basis von an Patientinnen weitergegebenen Empfehlungen sein. Auf diesem Gebiet der Medizin sind gute wissenschaftliche Studien allerdings besonders aufwändig und schwierig.

 

Ganzheitsmedizin = Pseudomedizin

Dass gerade Vertreter der sogenannten „Ganzheitsmedizin“ auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung für sich besondere Kompetenz reklamieren, ist erheiternd. Womit beschäftigen sich Ganzeitsmediziner z.B. auf ihren Fortbildungsveranstaltungen? Wir haben schon früher auf unserer Website über die „Internationalen Ganzheitsmedizinischen Tage 2016“  und einen „Ganzheitsmedizinkongress Integrative Onkologie“ im Jahr 2017 ausführlich berichtet. Ein Blick auf eine Liste von Vortragenden und das Programm der Veranstaltung im Jahr 2016 sowie von Vorträgen der Veranstaltung im Jahr 2017 ist erhellend. Auch ein Blick auf die in  der "Ganzheitsmedizin" verwendeten Methoden auf der Website der "Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin" ist aufschlussreich. Es handelt sich bei den Veranstaltungsinhalten und den Ganzheitsmedizinmethoden um ein buntes Sammelsurium von Pseudomedizinverfahren. Eine Gesundheitsförderung mit diesen Verfahren zu postulieren, ist zumindest "gewagt".

 

 

Warum verkauft sich Pseudomedizin in Österreich so gut?

Meherere Faktoren sind wahrscheinlich die Hauptgründe dafür.

1. Die vergleichsweise geringe Gesundheitskompetenz (health literacy) der österreichischen Bevölkerung ist in einer Studie dokumentiert. https://www.healthliteracyeurope.net/

2. Eine im EU-Vergleich stark ausgeprägte Wissenschaftsskepsis, im Detail hier, eine Zusammenfassung hier.

3. Die Förderung von Pseudomedizin durch die Ärztekammern durch Vergabe von Pseudomedizindiplomen und Akkreditierung von Pseudomedizinkursen durch die Arztakademie. Das wertet Pseudomedizin den Augen der Patientinnen grundlos auf.

4. Der rezeptfreie Verkauf und die Bewerbung von Pseudomedizinprodukten durch Apotheken. Homöopathischen und Anthroposophischen Produkten wird durch die Apothekenpflicht ein Mäntelchen der Seriösität umgehängt.

Diese Kombination macht anfällig für Falschinformationen und bereitet einen guten Markt für Pseudomedizin.

Die Berichterstattung des ORF über den Pseudomedizinlehrgang an der FH Campus Wien, ohne auf die zentrale Kritik daran einzugehen, passt gut in dieses Bild.

Allerdings - in einem Land, in dem jemand für einenaus dem Esoterik-Milieu stammenden parawissenschaftlichen Unfug das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen bekommt, sollte einen eigentlich gar nichts mehr wundern.